Expertenstreit zum Projekt “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff”


Fünf Jahre nach der Entscheidung das Aufsichtsrates der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG kämpfen wieder Experten gegen Experten mit Zukunftsannahmen zu Varianten, die nicht vergleichbar sind

Vor fünf Jahren haben der Aufsichtsrat der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG und die Politik auf Grundlage von umfangreichen Variantenstudien, der Ressourcen-, Klima- und Energiestrategie “Tirol 2050 energieautonom” und der damit verbundenen “Wasserstoffstrategie” den Beschluss zur Umsetzung der “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff” gefällt und zusammen mit allen Verantwortungsträgern den Beschaffungsprozess für den Wasserstoffzug in die Wege geleitet. Der Umsetzung des Wasserstoffprojektes wurde ein umfassendes Business- und Qualitätssicherungsprogramm zur Entwicklung und Risikominimierung der Beschaffungs-, Übernahme- und Betriebsprozesse hinterlegt. Dieses wird seither mit dem Projekt “HyTrain” und mit zahlreichen weiteren – im Forschungszentrum HyWest gebündelten – Wasserstoff-Wettbewerbsprojekten bearbeitet.

So, als ob es das alles nie gegeben hätte, wird nun – fünf Jahre nach der Entscheidung – wieder ein Kostenvergleichsrechnungsprozess zwischen zwei nicht vergleichbaren – weder von der strategischen Zuordnung noch von der Zweckmäßigkeit für die Region und auch nicht bezüglich der Marktreife der Technologien – Varianten (Elektroantrieb mit Batterie & Oberleitung vs. Elektroantrieb mit Wasserstoff-Brennstoffzelle) inszeniert.
Nun wurde eine aus Zukunftsannahmen über 30 Jahre aufsummierte Kostendifferenz von 150 Mio. Euro in die öffentliche Diskussion geworfen. Mit dieser “Zukunftsanleihe in der Zahlenermittlung” (“Borrow of the Future Process”) ist zwangsläufig wieder jeglicher Interpretationsspielraum für die vielfältigste “Expertenmeinung” gegeben. Wie wird beispielsweise die Preisentwicklung im “Power on Demand”-Prozess und wie im “Power to Hydrogen”-Prozess usw. sein? Der logische “Streit” über die möglichen oder nicht möglichen Zukunftserwartungen und das “Dilemma” der Verantwortungsträger wurden damit vorgegeben.
Wer soll jetzt die Verantwortung für die kontroverse “Megaziffer” übernehmen? Was soll das? Und wem nützt das? Wie kann es so etwas geben? Worauf kann man sich verlassen, wenn faktenbasierte handelsrechtlich gültige Aufsichtsratsbeschlüsse, offizielle Landesstrategien, politische Regierungsprogramme und entsprechendes Know-How für die Risiko- und Qualitätssicherung der eingeleiteten Beschaffungs- und Betriebsprozesse ausgeblendet und über eine derartige öffentliche Diskussion ausgehebelt werden? Wer hat die Verantwortung für die Konsequenzen zu tragen?
Der nun öffentlich in den Raum gestellte Ausfall der Wasserstoffregion Zillertal bedeutet realwirtschaftlich eine Rückentwicklung um mehr als 10 Jahre für den auf der privatwirtschaftlichen Initiativebene vorangetriebenen Aufbau der grünen Wasserstoffwirtschaft in Zentraleuropa. Damit verbunden ist auch die akute Gefahr der Einleitung einer unternehmerischen Abwärtsspirale, mit der auch die wirtschaftliche Existenzfrage für die mit Aufwand und finanziellen Deckungsbeiträgen eingetretenen Firmen und Projekte verbunden ist. Mit der Verantwortungsfrage für diese Entwicklung müssen sich die Organe der betroffenen Wasserstoff-Forschungs- und Umsetzungskonsortien demnächst befassen, wenn es nicht zu einer Beilegung dieser – mehr als nur verwunderlichen – “Streitfrage” kommt.

E. Fleischhacker, Vorsitzender der Codex Partnerschaft des Green Energy Center Europe in Innsbruck, Geschäftsführer FEN Sustain Systems GmbH und Konsortialführer der nationalen Leuchtturm- und Flaggschiff-Projekte “HyTrain” und “HyWest” der Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria Power & Gas

Tiroler Tageszeitung

Der Streit zwischen der Zillertalbahn und dem Land Tirol über die Kosten für einen Wasserstoffantrieb eskalieren. 150 Millionen Euro Mehrkosten auf 30 Jahre gegenüber einem Elektroantrieb werden angeführt. Aktuell treibt ein „Krieg der Zahlen und Berechnungen“ die Kontrahenten an und zieht den notwendigen politischen Grundsatzbeschluss in die Länge

Nicht einmal auf die Kilometeranzahl der Bahn konnte man sich einigen. Jetzt kommt es erneut zu einer „Plausibilitätsprüfung“, das Beratungsunternehmen schlägt der Politik drei Varianten vor: Beschluss für einen Wasserstoffantrieb in Kenntnis der Mehrkosten oder eine Entscheidung dagegen. Als vertretbare Gründe für ein Abgehen vom Wasserstoff werden die Kostenentwicklungen bei der Energie oder den Fahrzeugen genannt.”

© Tiroler Tageszeitung

Weitere Informationen

Projektinformationen “HyTrain – Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff”

Beschlussfassungs- und Beschaffungsgrundlagen für die “Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff“, Veröffentlichung 2018

WIVA P&G HyWest: Österreichisches F&E Flaggschiffprojekt zum “Aufbau einer grünen regionalen Wasserstoffwirtschaft”

Establishment of Austria’s First Regional Green Hydrogen Economy: WIVA P&G HyWest, Veröffentlichung 2023

Land Tirol informiert sich am Green Energy Center Europe über die Aktivitäten des Wasserstoff Forschungszentrums HyWest